Liebe auf den zweiten Blick by Sands Lynsay

Liebe auf den zweiten Blick by Sands Lynsay

Autor:Sands, Lynsay
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: LYX
veröffentlicht: 2012-12-14T05:00:00+00:00


12

Am Tag ihrer Hochzeit wurde Clarissa ganz früh wach und konnte nicht mehr einschlafen. Sie lag im Bett und dachte voller Aufregung an den vor ihr liegenden Tag – und an ihre Hochzeitsnacht, dann fiel ihr die neue Brille ein. Sie setzte sich kerzengerade im Bett auf, zog sie aus dem kleinen abnehmbaren Beutel, den sie sonst unter ihrem Rock trug, und setzte sich die Sehhilfe auf die Nase.

Ein kleiner Seufzer entwich ihren Lippen, als ihre Umgebung mit einem Mal Konturen bekam. Die meiste Zeit nahm Clarissa ihre Umwelt bloß als bunt verwischten Nebel wahr, und häufig hatte sie Kopfweh vom vielen Blinzeln. Schon möglich, dass sie mit Brille nicht gut aussah, aber sie konnte damit alles viel besser sehen.

Es war ihr schwergefallen, die Brille nicht aufzusetzen und alle Welt freudestrahlend wissen zu lassen, dass sie endlich wieder gut sehen konnte. Letztlich fand sie es jedoch besser, ihr kleines Geheimnis für sich zu behalten, bis Adrians Zuneigung zu ihr sich endgültig gefestigt hatte.

Falls er sich überhaupt in mich verliebt, sann sie. Sie hoffte inständig, dass das bald passierte. Sie wusste, dass er sie attraktiv fand und sie zu mögen schien, aber das hieß längst nicht, dass sich daraus eine tiefe Liebe entwickelte, die ein Leben lang währte.

Mit der Brille auf der Nase erwog Clarissa, nach unten in die Bibliothek zu huschen, um sich dort ein Buch zu holen. Hm, dazu reichte die Zeit vermutlich nicht mehr. Bevor sie eine Entscheidung treffen konnte, wurde die Türklinke heruntergedrückt, und das Klicken drang laut durch den stillen Raum. Sie riss sich die Brille von der Nase, schnappte sich das Beutelchen. Es glückte ihr eben noch, das gute Stück verschwinden zu lassen, als Lydia ihr Zimmer betrat.

Ihre Stiefmutter hatte irgendetwas in der Hand, aber Clarissa konnte nicht erkennen, was. Sie sah, dass Lydia etwas auf die Frisierkommode neben der Tür legte, dann kam sie aufs Bett zu. Misstrauisch geworden, beobachtete das Mädchen mit zusammengekniffenen Augen, wie sie näher kam. Sie wünschte, sie könnte ihre Brille aufsetzen und die Miene der anderen lesen, zumal sie keine Vorstellung hatte, warum Lydia am Morgen ihrer Hochzeit bei ihr auftauchte. Sie vermutete jedoch stark, dass das nichts Gutes verhieß.

»Dein Vater meint, ich sollte dir die näheren Umstände der Hochzeitsnacht erläutern«, erklärte Lydia ohne große Einleitung, und Clarissa versagte sich ein Seufzen. Das wurde bestimmt kein nettes Geplauder. Adrian hatte sicher nicht von ungefähr angedeutet, dass ihre Stiefmutter versuchen würde, sie bezüglich des Liebesakts in Angst und Schrecken zu versetzen. Wahrscheinlich lag er damit goldrichtig. Sie nahm sich insgeheim vor, die Ohren auf Durchzug zu stellen, falls Lydia ihr hanebüchenen Mist auftischte, doch die nagenden Zweifel blieben: Wenn die Hochzeitsnacht tatsächlich etwas Schönes war, wieso hatte Adrian dann Bedenken, dass ihre Stiefmutter ihr das Vergnügen madig machen könnte? Und wie war das mit den Schmerzen und dem Blut? Warum wollte er damit nicht herausrücken?

»Ich erzähle dir jetzt genau das, was meine Mutter mir damals erzählt hat«, sagte Lydia und hielt etwas hoch. »Siehst du das hier?«

Clarissa blinzelte das Ding an.



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